Eine Perle im Nordosten Italiens

Eine Perle im Nordosten Italiens

Unterwegs in der Autonomen Region Friaul-Julisch Venetien

Unsere Ankunft in dem winzigen Bergdorf Montemaggiore bleibt nicht unbemerkt. Bereits beim Ausladen des Gepäcks werden wir angesprochen. Die Wirtin der kleinen Trattoria wohnt gleich neben unserer Unterkunft und erzählt uns auf Deutsch, dass sie lange Jahre in Dortmund eine Eisdiele betrieben hätte. Mit Blick auf die sehr schmale Dorfstraße frage ich, ob der Bus, der dreimal am Tag hier durchkommt, an meinem Auto vorbeikäme. Sie antwortet: „Vielleicht“.

Unser diesjähriger „Männertrip“ führt meine Söhne und mich in den äußersten Nordosten Italiens, nach Friaul-Julisch Venetien. Auf etwa eintausend Meter Meereshöhe haben wir uns in einem kleinen Bergdorf einquartiert, um die Bergregion des Matajur und die geschichtsträchtigen Städte in der Region zu erkunden. Siebenhundert Höhenmeter trennen uns vom nächsten Supermarkt im Tal. So kommt in diesem Jahr der „vorausschauenden Vorratshaltung“ eine besondere Bedeutung zu.

Die Weterprognose für unsere Woche ist nicht gut. Wir nutzen gleich den nächsten Tag für einen Aufstieg zum Gipfel des Matajur. Es ist keine aplinistische Herausforderung den Gipfel auf 1.640 Meter zu erklimmen, aber ein harmloser Spatziergang ist es auch nicht. Über den Bergrücken des „Monte Baba“, wie er im lokalen Dialekt auch genannt wird, verläuft die italienisch slowenische Grenze. Die Aussicht ist phänomenal. Im Osten sind die Julischen Alpen auszumachen, deren schneebedeckte Gipfel bis auf knapp 3.000 Meter aufragen. Im Westen öffnet sich der Blick über die friaulische Tiefebene bis hin zum Mittelmeer. Auf der Berghütte des italienischen Alpenvereins haben wir die Terasse mit ihrer herrlichen Aussicht ganz für uns. Die meisten Gäste haben sich in die beheizte Gasstube des „Rifugio Pelizzo“ zurückgezogen. Die reichhaltig belegte Schinken-/Käseplatte liefert die Kraft für den weiteren, anspruchsvollen Weg über den Karstrücken des Matajur.

Auf einer Schautafel direkt neben dem Rifugio ist zu lesen, dass die scheinbar so friedliche Bergwelt rund um den Monte Matajur im ersten Weltkrieg Schauplatz einer erbitterten Schlacht zwischen der italienischen Armee auf der einen und österreichisch-ungarisch-deutschen Truppen auf der anderen Seite war. Genau hier soll, unter anderem, der Oberleutnant Erwin Rommel (im Zweiten Weltkrieg Generalfeldmarschall) mit seiner Kompanie eingesetzt gewesen sein. Noch heute sind Teile der Schützengräben und der befestigten Wege zu sehen, die für den Aufmarsch und die Versorgung der Truppen angelegt wurden.

Cividale del Friuli ist Namensgeberin der Region Friaul. Die ursprünglich keltische Siedlung wurde von Gajus Julius Caesar zur Stadt erhoben. Seit dieser Zeit hinterließen zunächst Römer, anschließend Langobarden sowie Venezianer und schließlich die Habsburger im Stadtbild ihre unverwechselbaren Spuren. Cividale del Friuli wirkt wie ein architektonisches Sammelsurium, das wir, wegen des regnerischen Wetters, leider zügig durcheilen.

Leider verhaken sich die Regenwolken auch in den nächsten Tagen am Westhang des Matajur. Ausgedehnte Bergtouren sind bei diesen Wetterbedingungen nicht zu machen. Lediglich kleine Wanderungen riskieren wir, sobald die Wolkendecke ein wenig aufreißt. Wer weiß, vielleicht hätten wir unter idealen Bedingungen die kleine Kapelle „San Lorenzo“ mit ihrer spektakulären Lage nicht entdeckt.

Gorizia / Gurize / Gorica / Görz, die europäische Kulturhauptstadt 2025 hat viele Namen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt geteilt und die östlich des Isonzo gelegenen Stadtgebiete als Nova Gorica der Republik Jugoslawien zugesprochen.

Wir schlendern durch die pittoreske Altstadt des italienischen Gorizia und wundern uns, dass die Kulturhaupstadt so menschenleer ist. Da hatten wir etwas anders erwartet. Auch ein Besuch des slowenischen Nova Gorica ist eher enttäuschend. Hier dominieren schmucklose Zweckbauten, die der Stadt ein eher tristes Antlitz verleihen. Dir Rückkehr ins italienische Gorzia gerät nun zur Wohltat.

Das Ziel Kroatien oder Adria fest im Blick lassen die meisten Reisenden Udine aus Zeitgründen links liegen. Sie verpassen allerdings einiges. Zumindest ein kurzer Halt in der zweitgrößte Stadt der Region (nach Triest) würde sich lohnen. Zugegeben, Udine kann touristisch nicht mit den „großen Zielen“ Norditaliens wie Triest, Venedig oder Mailand mithalten. Aber genau das macht ihren Reiz aus. Die Stadt präsentiert ihre über zwölfhundertjährige Geschichte, die wunderschöne Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen und zahlreichen Palazzi auf völlig unprätentiöse Art. Udine ist voller Leben, wird aber nicht von Touristen überrannt. Wir jedenfalls genießen unseren Rundgang und gönnen uns zum Abschluss einen Café auf der „Piazza San Giacomo“ – und das ohne das Gefühl, „ausgenommen“ zu werden.

Das Wetter war während unseres Aufenthalts wahrlich nicht optimal. Aber vielleicht hätten wir viele Sehenswürdigkeiten nicht entdeckt, wären wir mehr in der Bergwelt unterwegs gewesen. Uns hat die Region Friaul-Julisch Venetien auf jeden Fall „angefixt“ und das Bedürfnis geweckt, unsere Entdeckungsreise irgendwann einmal fortzusetzen.

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