Weit weg von Ballermann & Co
Auf dem Trockenmauer-Weg durch die Serra Tramuntana
Im Flugzeug nach Palma de Mallorca sitze ich eingeklemmt zwischen all denen, die offensichtlich nur zum „Party-Machen“ die spanische Mittelmeerinsel besuchen wollen. Sämtliche klischeehaften Vorstellungen scheinen sich zu bewahrheiten und so bleibe ich skeptisch, dass es so etwas wie eine ruhige und besinnliche Seite der größten Baleareninsel überhaupt geben kann. Aber schon bald, nachdem sich die sechs- und vierspurigen Magistralen der Inselhauptstadt zu kleinen Landstraßen verjüngen, wächst die Hoffnung darauf, die andere Seite Mallorcas kennenzulernen.
Im Flugzeug nach Palma de Mallorca sitze ich eingeklemmt zwischen all denen, die offensichtlich nur zum „Party-Machen“ die spanische Mittelmeerinsel besuchen wollen. Sämtliche klischeehaften Vorstellungen scheinen sich zu bewahrheiten und so bleibe ich skeptisch, dass es so etwas wie eine ruhige und besinnliche Seite der größten Baleareninsel überhaupt geben kann. Aber schon bald, nachdem sich die sechs- und vierspurigen Magistralen der Inselhauptstadt zu kleinen Landstraßen verjüngen, wächst die Hoffnung darauf, die andere Seite Mallorcas kennenzulernen.
Für eine Streckenwanderung über die 150-Kilometer-Gesamtdistanz des GR 221 ist Mallorca aufgrund seiner auf den Pauschaltourismus ausgericheteten Infrastruktur weniger geeignet. Es gibt derzeit einfach zu wenig Herbergen und Schutzhütten, die Wanderer auf ihrem Weg für eine Nacht aufnehmen können. Einzige Alternative wäre das (offiziell nicht erlaubte) Zelten entlang der Route. Wir haben uns für die Variante: Zentrales und fest gebuchtes Quartier mit Halbpension, als Basis für unsere Exkursionen, entschieden. Das ist kostengünstig und komfortabel, insbesondere wenn man am späten Nachmittag, müde und hungrig von einer Wanderung zurückkehrt. Ein Mietwagen ist eigentlich nicht erforderlich, weil man Sóller mit Bus, Bahn und Schiff von nahezu überall gut erreichen kann.
Eine Wanderung entlang des Trockenmauerwegs ist kein Spaziergang. Oftmals reduziert sich der Weg auf einen holprigen und steinigen Pfad, der die mühsam erkämpften Höhenmeter (und das sind nicht wenige) auf steilen Abstiegen sehr schnell wieder vernichtet. Eine moderate Eingewöhnungsrunde rund um das Cap Gros ermöglicht einen wohldosierten Einstieg in die Wanderwelt der Serra de Tramuntana. Dabei haben auch die neuen Wanderschuhe und die beteiligten Füße ausreichend Gelegenheit, einander zu formen.
Nachdem vereinzelte Scheuerstellen sich nicht zu kapitalen Blasen ausgewachsen haben, wächst die Zuversicht, größere Distanzen bewältigen zu können. Ein besonders schöner Abschnitt ist die Küste zwischen Sóller und dem südlicher gelegenen Banyalbufar. Das Küstengebirge fällt hier besonders steil in das azurblaue Mittelmeer und hinter jeder Biegung des Saumpfades eröffnen sich atemberaubende Ausblicke auf die mallorquinische Westküste. Der malerische Küstenort Port des Canonge lädt zu einer Rast, bevor es in vielen Windungen weiter in Richtung Port de Valldemossa geht. Dieser Streckenabschnitt ist zwar nicht Bestandteil des Trockenmauerweges, entwickelt aber wegen seiner Küstennähe einen ganz besonderen Charme.
Auf einer steilen Klippe, dreihundert Meter über dem Meer, thront das Herrenhaus des „ungekrönten Königs“ der Balearen – nein, nicht Jürgen Drews sondern Erzherzog Ludwig Salvator von Österreich-Toskana. Der leidenschaftliche Forscher und Naturliebhaber hatte sich hier, inmitten des von ihm erworbenen Küstenabschnitts, mit „Son Marroig“ einen fast märchenhaften Hauptwohnsitz geschaffen. Zweimal soll ihn Kaiserin Elisabeth (Sisi) hier besucht haben.
Vom Herrenhaus windet sich ein steiler Pfad die Küste hinab bis zur vorgelagerten Halbinsel „Sa Foradada“. In dem kleinen Naturhafen zwischen den Klippen konnte Ludwig Salvator mit seiner Yacht „Nixe“ vom Meer aus direkt anlegen. Ein wirklich schönes Plätzchen, das wir mit niemandem teilen müssen. Nur, der Preis ist hoch. Die dreihundert Höhenmeter müssen auch wieder erklommen werden.
Nordwestlich von Sóller erheben sich die höchsten Gipfel der Serra Tramuntana. In steilen Kehren windet sich der GR-221 die knapp 800 Höhenmeter bis zum Cuber-Stausee empor. Zu Füßen des höchsten Gipfels von Mallorca, dem Puig Major (1.436 m), empfängt uns eine wahrhaftige Hochgebirgslandschaft. Schroffe Felsengebirge umrahmen einen türkisblauen Stausee, der die Trinkwasserversorgung der Inselhauptstadt sicherstellt. Größer könnte der Unterschied zu der mediterranen Küstenlinie, die wir tags zuvor entlang gewandert sind, nicht sein.
Wir verlassen den GR-221 und wenden uns wieder der Küste zu. Die mühsam erkämpften Höhenmeter werden auf dem Weg hinunter zur Bucht von Cala Tuent erneut egalisiert. Die kleine Bucht mit ihrer fast karibischen Atmosphäre ist der Ausgangspunkt zu einer besonderen Wanderung. Mühsam ist der Weg hinauf zum „Coll de Na Polla“, von dem sich der Blick auf die atemberaubend schöne Küstenlinie der „Sa Costera“ öffnet. Wer die zusätzlichen Höhenmeter nicht scheut, kann hier zum alten Kraftwerk an der Quelle „Font des Verger“ hinabsteigen. Von 1892 bis in die Sechzigerjahre versorgte es mit Hilfe der Wasserkraft Sóller mit Strom.
Es wäre äußerst verlockend, den Weg bis nach Sóller weiterzugehen, aber wir haben noch ein anderes Ziel. Zunächst geht es auf derselben Route zurück nach Cala Tuent und von dort in die benachbarte Bucht von Sa Calobra. Hier ist es mit der Beschaulichkeit vorbei, denn eine der Hauptattraktionen der mallorquinischen Westküste, der „Torrent de Pareis“, zieht die Touristenströme an. Die zweitgrößte Schlucht des Mittelmeerraums (eigentlich ist es ein verzweigtes System von Schluchten) führt das Wasser aus den Gipfellagen der Tramuntana bis hinunter zur Küste. Die anspruchsvolle Wanderung ist nicht ungefährlich, weil sich das überwiegend trockene Bachbett bei plötzlich einsetzendem Regen zu einem reißenden Sturzbach verwandeln kann. Die aktuelle Wetterlage erlaubt allerdings eine risikolose Begehung. Bereits nach wenigen hundert Metern ist vom lärmenden Strandleben im Mündungsbereich nichts mehr zu hören. Die Felswände rücken dicht zusammen und außer vereinzelten Vogelstimmen ist phasenweise nur der Widerhall der eigenen Schritte zu hören. Nach knapp dreieinhalb Kilometern endet der Torrent de Pareis am Treffpunkt zweier Zuflüsse. Für uns ist hier vorerst Schluss. Die komplette Durchwanderung des Schluchtensystems nehmen wir uns für unseren nächsten Besuch fest vor. Denn wiederkommen werden wir – jetzt wo wir um die andere Seite Mallorcas wissen.