Oradour-Sur-Glane
Schauplatz eines beispiellosen Kriegsverbrechens
Wie jeden Abend suche ich in meinen Frankreich-Reiseführer nach lohnenden Zielen, die entlang meiner Reiseroute liegen. Üblicherweise sind dies Orte der Geschichte, Kultur oder Kunst und häufig auch Naturdenkmäler. Im Abschnitt über das Limousin wird jedoch ein Dorf erwähnt, das im Zweiten Weltkrieg Schauplatz eines unbeschreiblichen Massakers war. Ein Blick in die Karte verrät mir, dass es zwar etwas abseits meiner Fahrtstrecke liegt, aber einen kleinen Umweg werde ich in Kauf nehmen, um mir diesen Ort anzuschauen.
„Es gibt keine Worte, um eine solche Abscheulichkeit zu beschreiben“. Das sagt der Eisenbahningenieur Jean Gallier am Morgen nach dem Massaker, als er seine Frau und seine Kinder sucht. Im Rahmen einer sogenannten Vergeltungsaktion riegeln Angehörige der Waffen-SS am 10. Juni 1944 das kleine Städtchen Oradour-Sur-Glane ab und treiben dessen Einwohner auf dem Marktplatz zusammen. Was dann folgt, geht als der größte Massenmord, verübt an einer unbewaffneten und wehrlosen Zivilbevölkerung, in die Geschichte ein. 642 Dorfbewohner werden ermordet, drunter 245 Frauen und 207 Kinder. Anschließend wird der Ort geplündert und zerstört.
Nach dem Krieg wird Oradour-Sur-Glane nicht wieder aufgebaut. In unmittelbarer Nachbarschaft wurde in den 1950er Jahren ein neuer Ort gleichen Namens errichtet und die Ruinen in dem Zustand, wie ihn die Waffen-SS seinerzeit hinterließ, als Mahnmal konserviert. Unerträglich ist die Vorstellung, dass keiner der maßgeblich Verantwortlichen jemals zur Rechenschaft gezogen wurde.
Mein Rundgang durch die Ruinen von Oradour-Sur-Glane endet in der Kirche, in der damals Frauen und Kinder eingesperrt und dann mit Handgranaten und Brandsätzen getötet wurden. Im Altarraum sehe ich die verbrannten Überreste eines Kinderwagens. Es gibt wirklich keine Worte, diese Abscheulichkeit zu beschreiben.