Eine erwartete Reise

Eine erwartete Reise

Die Reise beginnt – endlich. Nicht irgendeine Reise sondern die ebenso lange erwartete, geplante, wie immer wieder aufgeschobene Reise. Die Vision, vor der Tristesse des dunklen und nasskalten kalten Winters hierzulande in den warmen Süden zu flüchten, soll nun wahr werden. Ich fahre zunächst alleine los (mit Campervan, Anhänger und darauf festgezurrter Vespa), die Gefährtin soll zwei Monate später, in Portugal, zu mir stoßen. Dreitausend Kilometer liegen vor mir, die ich mir in viele Etappen aufteilen möchte.

Burgund – Könige, Herzöge und edle Weine

Burgund (französisch: Bourgogne) war im frühen Mittelalter ein mächtiges Königreich, später ein bedeutendes Herzogtum, dessen Grenzen im 17. Jahrhundert den Westen der Schweiz und die Benelux-Staaten einschloss. Burgund, ein Eldorado für Feinschmecker und Liebhaber edler Weine. Und war da nicht etwas in der Nibelungen-Sage?

So oft wie ich bereits auf der Durchreise Richtung Süden, die Departements Côte d´Or, Nièvre oder Saône-et-Loire durchfahren habe, ich hatte bisher keine Vorstellung, was den Reiz dieser Region ausmacht.

Mit der Vespa erschließe ich mir die Schönheit dieser Gegend – wenn auch anfangs mit frostklammen Fingern.  Der erste „Ausritt“ führt mich durch das Departement Côte d´Or. Das Gold dieser „Küste“ sind die Reben, die die Berghänge von Dijon im Norden bis Beaune im Süden überziehen. In Beaune, das neben Dijon Wohnsitz der Herzöge von Burgund war, beeindruckt mich das Hôtel Dieu, ein mittelalterliches Hospiz, das noch bis in die Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts als Krankenhaus und Seniorenheim genutzt wurde.

Ein völliger Gegensatz zur geschichtsträchtigen Côte d´Or ist der urwüchsigen Nationalpark Morvan. Auf den Höhen des „schwarzen Gebirges“ erklimme ich den Mont Beauvray, auf dessen Gipfel ein gallischer Stamm (Haeduer) eine beeindruckende befestigte Siedlung (Oppidum) errichtete. An dieser Stelle vereinte im Jahr 50 n.C. der legendäre Häuptling Vercingetorix die vormals zerstrittenen gallischen Stämme zum Kampf gegen die römische Besatzungsmacht. Dass der Kampf letztendlich verloren ging schadete dem Helden-Mythos nicht.

Die Abtei Cluny war im Mittelalter eines der einflussreichsten religiösen Zentren des Christentums und besaß mit der Ecclesia Major, bis zum Bau des Petersdom in Rom, die weltweit größte Kirche. Im Zuge einer sehr wechselvollen Geschichte büßte die Abtei nicht nur an Bedeutung ein, sie verlor auch ein Großteil ihrer ursprünglichen Bausubstanz. Von der Ecclesia Major steht nur noch ein Teil des Querschiffes und einer von ursprünglich sechs Türmen. Beeindruckend  ist die Abteil Cluny, auch mit den späteren barocken Zubauten, dennoch.

Deutlich bescheidener wirkt die kleine romanische Kirche Notre-Dame-de-L´Assomption auf dem knapp 600 Meter hohen Butte de Suin. Auf dem Berg, der von einer Marien-Statue gekrönt wird, siedelten bereits die Kelten. Eine besondere Magie wird diesem Ort zugeschrieben, weil genau hier die Wasserscheide zwischen Atlantik und Mittelmeer verläuft. Nicht zuletzt macht aber das phantastische Panorama den Reiz dieses Ortes aus.

Das Departement Saône-et-Loire ist mittlerweile zu meinem Favoriten avanciert. Es ist vielseitig, landschaftlich sehr reizvoll, dabei aber völlig unprätentiös. Es ist kein Problem hier einen schön gelegenen Stellplatz zu finden, und das meist auch noch kostenlos. Auch meine nächste Bleibe auf dem Mont-Saint-Vincent liegt mit „unverbaubarer Aussicht“ auf einer Bergkuppe. Es gibt hier alles, was Campers Herz höher schlagen lässt. Zusätzlich sogar – und das ist für mich ein Novum – Unterlegkeile zum Ausleihen.

Mein Berg ist auch ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für weitere Ausflüge in die Umgebung. Auf den kurvigen schmalen Straßen fühlt sich auch meine Vespa richtig wohl. In Mâcon, der Hauptstadt des Mâconnais, dreht sich alles um Wein. In der Region ist die Weinlese in vollem Gange. Daher macht es auch kaum Sinn, einen Traktor zu überholen, weil die Landmaschinen zurzeit die Straße beherrschen. Mitten in den Weinbergen liegen die Felsen von Solutré, die bereits in der Steinzeit besiedelt waren. Die Strapazen eines Aufstiegs lohnen sich schon allein wegen der phänomenalen Aussicht.

So langsam findet der Herbst auch Zugang zur Bourgogne. Es gäbe noch so viel zu entdecken, aber ich will dem Sommer folgen. Mein letzter Fixpunkt im Burgund ist Beaubery, ein kleiner, wunderschön gelegener Ort mit einem etwas überdimensionierten Résistance-Denkmal. Auf dem kostenfreien Stellplatz in der Ortsmitte habe ich einen freien Blick Richtung Westen. Dort, wo gerade die Sonne untergeht, liegt mein nächstes Ziel.

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