Nachwuchsarbeit

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Die übernächste Camper-Generation wächst heran

Der kleine Paul reißt die Augen weit auf: „Wir schlafen heute nacht hier?“ Das hatten wir wenige Stunden zuvor mit ihm besprochen, aber vermutlich hat er nur so lange zugehört, bis das Wort „Spielplatz“ gefallen war. Nach dieser für ihn wesentlichen Information ist die Aufmerksamkeit des Vierjährigen wohl deutlich erlahmt.

Jetzt sitzt Paul in seinem Star-Wars-Schlafanzug auf dem Heckbett unseres Campervan und ich vermag seinen Blick nicht wirklich zu deuten. Ist es Skepsis oder überwiegt doch die Neugier auf ein neues Abenteuer. Bisher war er mit uns nur auf Tagesausflügen unterwegs. Doch heute soll unser Enkel das volle Programm – inklusive einer Übernachtung – erleben dürfen.

Bevor wir uns auf das Wagnis: „Camping mit Kleinkind“ einlassen, haben wir Parameter definiert, die – unserer Meinung nach – für einen Erfolg unerlässlich sind: Gutes Wetter mit angenehmen Temperaturen, viel Natur mit wenig Verkehr und Lärm. Zudem müssten in unmittelbarer Umgebung des Stellplatzes ansprechende Angebote für kindliche Aktivität bestehen. Denn uns war klar, nur mit Wandern würden wir Paul nicht nachhaltig für das Campen begeistern können.

Der herrlich gelegene Stellplatz in Michelbach im kleinen Odenwald schien für unsere Zwecke ideal. Er liegt direkt neben einem großen, fantasievoll angelegten Spielplatz. Es ist ruhig hier. Nur gelegentlich holpert ein Traktor den schmalen Wirtschaftsweg entlang. Und, wir kennen diesen Ort. Im vergangenen Sommer waren wir mit Paul bereits für einen Tagesausflug hier.

Nachdem wir unsere endgültige Parkposition erreicht haben ist Paul nicht mehr zu halten. Er erobert unverzüglich die Kletterburg auf dem Spielplatz. Ich übernehme untertänig die mir zugewiesenen Aufgeben. Ich klettere Strickleitern hoch, erklimme Kletterwände, zwänge mich durch enge Röhren und begleite den Burgherren auf seinen Ausritten. Zahlreiche Schrammen und Beulen, die ich davontrage sind Beleg dafür, dass ich definitiv dem Heer der „kleinen Eroberer“ entwachsen bin.

Zur Nahrungsaufnahme müssen wir zwischenzeitlich immer wieder von der Fantasie- in die reale Welt wechseln. Dabei bestätigt sich unsere Ahnung, dass der Appetit unseres Jungcampers exponentiell mit der Entfernung zum Wohnort steigen würde. Wir sind glücklicherweise vorbereitet. Der Kühlschrank und die Futterkiste sind zum Bersten gefüllt.

Eine ortsansässige Spaziergängerin berichtet im Vorbeigehen von einer Fuchsfamilie, die im nahegelegenen Wäldchen leben würde. Das ist für Paul das Signal zum sofortigen Aufbruch. Unsere Pause – von der wir glaubten, sie verdient zu haben – verbringen wir auf einem Hochsitz. Unser Auftrag: Spähen und Lauschen. Aber, die Füchse bleiben leider unsichtbar. Die Enttäuschung des kleinen Jägers ist groß und führt zu spontaner Antriebslosigkeit. Zurück geht’s nur noch Huckepack. Erst mit der Grillwurst lassen sich die Lebensgeister ein wenig wiederbeleben.

Beim anschließenden „Sundowner“ auf einer nahegelegenen Bank kommt dann auch unser quirliger Enkel ein wenig zur Ruhe. Von Oma und Opa flankiert, sitzt er da und schaut über die hügelige Landschaft. Paul beobachtet Greifvögel, die ihre Kreise über den Feldern ziehen, sieht den bunten Schmetterlingen zu, die sich auf den Wiesenblüten um ihn herum niederlassen. Und er lauscht den typisch ländlichen Geräuschen, die ein Stadtkind so nicht zu hören bekommt. Paul scheint diesen Augenblick wirklich zu genießen.

Die Nacht verläuft vollkommen unspektakulär. Unsere Befürchtungen, dass Paul sein vertrautes Bett vermissen würde, dass ihn die ungewohnte Geräuschkulisse oder die räumliche Enge verstören könnte, erweisen sich als grundlos. Nach einer Gute-Nacht-Geschichte plaudert er noch ein wenig über die Erlebnisse des Tages und verstummt wenig später. Er ist von einer Sekunde auf die andere eingeschlafen. Wir sind davon überzeugt, dass er von den Füchsen träumt, die er nicht gesehen hat.

Auch wenn ich am nächsten Morgen mit Rückenschmerzen erwache (das Notbett in der Dinette verdient wirklich keine andere Bezeichnung) und Paul seiner Oma im Heckbett wenig Platz für einen erholsamen Schlaf gelassen hat, strahlen wir uns beim Frühstück alle an. Was für ein Erlebnis. Wir wissen nicht, ob Paul später ein leidenschaftlicher Camper wird, aber die Gefährtin und ich glauben schon, dass er uns gerne wieder begleiten wird.

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