Die Fünf Erden – kein Geheimtip

Die Fünf Erden – kein Geheimtip

Wandern an der Ligurischen Küste

Die Cinque Terre sind eigentlich ganzjährig – zumindest „gut besucht“. Der ligurische Naturpark mit seinen fünf, an die Steilküste hingetupften Dörfern, ist ein nur allzu beliebtes Reiseziel. Vielleicht bietet der „goldene Oktober“ in diesem Jahr ein kleines Zeitfenster, um die „fünf Erden“ in weitgehend entspannter Atmosphäre zu erkunden.

Die Wetterprognosen könnten besser nicht sein: sonnig und trocken, Temperaturen um die zwanzig Grad. Als Basislager dient ein rustikal einfaches Ferienappartement inmitten von Olivenhainen, etwas außerhalb von La Spezia. Von hier aus lassen sich die Wanderreviere an der Küste mit dem Auto oder der italienischen Eisenbahn gut erreichen. Das sind wahrlich optimale Startbedingungen für unser Vorhaben.

Das „Filetstück“, die Cinque Terre, wollen wir zunächst aussparen. Ein Rundkurs rund um das Hafenstädtchen Porto Venere, mit dreihundert Höhenmetern verteilt auf knapp sechs Kilometer – im Wanderführer als schwer gebrandmarkt – soll zur Eingewöhnung dienen. Die Tour beginnt oben am Monte Muzzerone und verlangt zunächst einen brachialen Abstieg. Die Ausblicke sind phänomenal, wobei stets zu beachten ist, dass entweder geschaut oder gelaufen wird. Zu anspruchsvoll ist das Terrain mit seinen ausgewaschenen und mit Geröll übersäten Pfaden.

Beim Rundgang durch die pittoreske Altstadt von Porto Venere mit seiner imposanten Festungsanlage wandert der Blick immer wieder ein wenig bang die steile Flanke des Muzzerone empor. Dessen eng beieinander liegenden Höhenlinien müssen auf dem Rückweg wieder rechtwinklig erklommen werden. Oben angekommen manifestiert sich als wesentliche Erkenntnisse dieses Ausflugs, dass „schwer“ keine geeignete Wertung für eine Eingewöhnungstour ist, man zuerst auf- und dann abwärts laufen sollte und ein Mittagessen nicht zu üppig ausfallen darf.

Die malträtierten Gelenke und Muskeln verlangen in der Folgezeit eigentlich eine etwas gemäßigte Gangart. Das ist an der ligurischen Küste aber eine kaum zu erfüllende Forderung. Leichtere Touren orientieren sich meist an den kleinen Küstenstraßen. Und das ist wegen der halsbrecherischen Fahrweise italienischer Automobilisten eine ganz andere Herausforderung. So fällt die Entscheidung zugunsten der schwierigeren Passagen aus, denn hier werden Schmerzen und Strapazen durch wenig begangene Pfade und atemberaubende Ausblicke belohnt. Insbesondere der  südöstlich von La Spezia gelegene Naturpark Montemarcello Magra bietet, abseits von den bekannteren Wanderrevieren, ebenso anspruchsvolle wie schöne Touren.

Die in der Bucht vor La Spezia ankernden Kreuzfahrtschiffe lassen erahnen, dass die stille Eroberung der Cinque Terre wohl eine Illusion bleiben wird. Schon in Riomaggiore, dem östlichsten der fünf Dörfer, wälzen sich, selbst jetzt im Herbst noch, Menschenmassen durch die engen Gassen. Auch in den Nachbardörfern ist es nicht anders. In hoher Frequenz werden mit den Ausflugsbooten weitere Touristen in den Häfen angelandet. Auch die italienische Staatsbahn, die als einziges Verkehrsmittel die Dörfer miteinander verbindet, spuckt unentwegt Menschenmassen aus. Rund um die kleinen Häfen findet sich kaum ein freier Felsen für eine kurze Rast. Wie mag es hier wohl im Sommer zugehen? Die Cinque Terre scheinen für den Wanderer, der beschauliche Touren in unberührter Natur liebt, verloren. Gut, dass es links und rechts davon immer noch Reviere gibt, die all das bieten können. Wir kommen gerne wieder – aber die Cinque Terre würden wir den „Kreuzfahrern“ kampflos überlassen.

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